Sandbox und Railroading haben keine Gemeinsamkeiten, ja. Aber das macht sie noch nicht zu Gegensätzen. Das eine ist eine Spielweise, das andere eine Tat.
Du spaltest Haare.
Ersetze Railroading durch eine Railroad-Kampagne. Oder Sandbox durch Sandboxing.
Eine Sandbox-Kampagne ist das Gegenteil einer Railroad-Kampagne.
Sandboxing ist das Gegenteil von Railroading.
Und hinter allem steht die gedankliche (Sett würde sagen: moralische) Befindlichkeit des SLs, die sich gleichzeitig in Spielweise und Tat ausdrückt.
Eine Sandbox, die ihren eigenen Regeln getreu gespielt wird, kann per definitionem nicht in Railroad ausarten, weil die Spieler zu jeder Zeit ihre Pfade selbst wählen, und es weit mehr Pfade gibt, als ein Railroad-SL in seinen kühnsten Träumen vorausbestimmen könnte.
Haben sie sich für einen Pfad entschieden, sind alle daraus folgenden Handlungen das Ergebnis logischer/innerweltlich-plausibler Abläufe. (Ich bin noch unentschieden, inwieweit die Laune eines SL diese unabsichtlich beeinflusst; was allerdings mit dem Railroad-Gegensatz nichts zu tun hat.)
Diese Abläufe können innerweltlich-plausibel sehr enge Formen annehmen (ein Geas ist ein Geas; verstecke ich mich in einem Höhlensystem, bei dem der Schurke alle Ausgänge bis auf einen zugemauert hat, gibt es halt nur einen Ausgang), aber der Knackpunkt ist, dass der SL diese Vorgänge nicht forciert (hat), weil er "Lust darauf hatte, dass seine Spieler dieses Abenteuer/diese dramatische Situation/diese Story" erleben.
Eine Sandbox hält einen SL auch nicht davon ab, mitten in der Kampagne auf ein Railroad-Abenteuer umzuschwenken, aber in dem Moment hört die Sandbox auf zu existieren. Sie wird zu etwas anderem, zu "völlig normalem Rollenspiel", wie es seit den Achtzigerjahren in Deutschland abertausende Gruppen gespielt haben - mal frei, mal vordefiniert, je nach Laune und Natur des Kaufabenteuers oder Vorbereitungsgrad des SLs.
Was überhaupt kein Problem ist, solange man sich nicht in die Tasche lügt über das, was man jeweils spielt. Und aus welchen Motiven man es spielt.
"Ich will meinen Spielern eine Geschichte erzählen" oder
"ich will in meinen Spielern dieses moralische Dilemma/diese Emotion provozieren" oder
"ich finde diese Geschichte/Szene cool und glaube, dass meine Spieler sie auch cool finden würden"
ist etwas anderes als
"ich werfe meine Spieler in eine Versuchsanordnung und schaue, wie sie sich darin schlagen".